Sonntag, 4. Dezember 2011

Zuckerspende mal anders...

Liebe Leser,
damit ich nicht wieder in den Verdacht der Faulheit komme, will ich mal die Produktivität der Nachtstunden nutzen. Den Lesern aus Tokyo sei um diese Uhrzeit ein fröhlicher "Guten Tag!" gewünscht. Die Mehrheit der Deutschen wird noch schlafen... Schließlich hat sich die Nation geschlossen davon überzeugt, dass Thomas Gottschalk so konsequent war, sich auch für seine letzte Show wieder in einem Fachgeschäft für gebrauchte Zuhälter-Mode einzukleiden. Aber ich will nicht abschweifen.
Um etwas von dem zu bekommen, was ich hier mal zeigen will, muss man sich in Japan meistens nicht weit bewegen, statistisch maximal 700 Meter. Es geht um Süßigkeiten, im Großraum Tokyo und allen anderen dicht besiedelten Gebieten muss man nämlich maximal bereits erwähnte 700 Meter bis zum nächsten "Bequemlichkeitsladen" laufen. Der "Bequemlichkeitsladen" ist hier schon häufiger erwähnt worden, die Japaner nennen ihn "Konbini", eine japanisierte Form von "Convenient Store". Man könnte es auch "Alles-Laden" nennen, dort gibt es an 364 Tagen im Jahr, 24 Stunden am Tag, alles was man fürs schnelle Shopping braucht: Getränke, Sandwiches, Fertigerichte und Süßkram. Und auch ab Ende Oktober warme Handschuhe, Mützen und Schals.
Außer im nächsten Jahr: Da gibt es Süßkram an 365 Tagen im Jahr, es ist nämlich ein 閏年. Jede Menge Süßkram sogar. Auch das:














Das ist genau das, wonach es aussieht: Grünes Kitkat! Also nicht nur die Verpackung, sondern auch der Inhalt ist grün. Die Geschmacksrichtung ist nicht "Alien", sondern heißt so, wie es auf der Verpackung steht. Der Kenner der fernöstlichen Süßwarenindustrie wird jetzt vielleicht einwerfen, dass buntes Kitkat nichts besonderes ist. Es gibt wohl um die 40 verschiedene Sorten Kitkat in Japan, in Geschmacksrichtungen wie zum Beispiel: Gurke, gesalzene Wassermelone, Wasabi, Sojasauce oder Pfeffer. Manche davon klingen komisch, und das sind sie auch.
Wer sich bei dem Gedanken von Kitkat mit Käse-Geschmack leicht angeekelt abwendet, dem geht es genauso wie einem Japaner beim Geruch von Lakritzschnecken. Was bei uns mehrheitlich als lecker gilt, findet in Japan wirklich nur sehr wenig Freunde. Womit dann auch klar wäre, dass die Griechen ihre marode Wirtschaft nicht mit dem Export von Ouzo nach Japan sanieren können.

Ich habe die Schachtel nicht nur fotografiert, sondern auch gegessen. Der Geschmack erinnert mich an einen Witz: Was antwortet man in einem englischen Restaurant auf die Frage: "Wie hat es geschmeckt?" - "Danke, es war warm". So ist es auch hier, der grüne Schokoriegel war wenigstens süß. Eigentlich zu süß... Einen anderen, typischen Geschmack habe ich nicht rausschmecken können.
Eine Internet-Recherche brachte die Geschmacksrichtung an den Tag, sie heißt "Zunda" und soll nach grünem Sojabohnen-Mus schmecken. Es ist eine lokale Kitkat-Variante, die eigentlich nur in den Präfekturen Yamagata, Miyagi and Fukushima erhältlich ist. Quasi die Weißwurst unter den Süßigkeiten. Und genau deshalb kann man die kleinen grünen Kalorienbomben auch überall kaufen: Es ist ein Charity-Produkt, von jedem verkauften Riegel gehen 10 Yen an die Opfer vom Tohoku-Beben vom März.
Man kann sich also den Appetit aufs Abendessen verderben, und gleichzeitig noch ein gutes Werk tun. Bei uns haben Charity-Produkte ja meistens damit zu tun, dass man sich mit irgenwelchem Mist von Xavier Naidoo oder Heinz Rudolf Kunze die Ohren blutig hören muss. In Japan ist es wenigstens süß und man kann das schlechte Gewissen der Nascherei mit dem Gedanken, etwas Gutes getan zu haben, beruhigen. Auf der Hüfte wird es aber trotzdem ansetzen. Aber es ist ja für einen guten Zweck.

Aber es geht auch nicht zu sehr auf die Hüfte, denn die Portionsgröße kann man durchaus als mickrig bezeichnen. Aber dieses Problem zieht sich durch die Süßigkeitenregale des Kaiserreichs. Eine Tafel japanische Schokolade wiegt nur lumpige 65 Gramm. Also nichts, wovon man eine deutsche Mitarbeiterin des Auswärtigen Amtes auf Abordnung in Tokyo satt bekommen kann. Eine 400-Gramm-Tafel Milka-Schoki wird man dort wahrscheinlich eher als Familienpackung betrachten, und nicht als Ein-Personen-Marschverpflegung für eine Rosamunde-Pilcher-Verfilmung. Ich sage jetzt nicht explizit, dass es für Frauen ist, aber wer guckt denn sonst bitte Rosamunde Pilcher? Aber für Familien sind 400-Gramm-Tafeln Schokolade nicht attraktiv, japanische Wohnungen sind dafür meistens zu klein.

Mein Rumgesurfe hat auch noch an den Tag gebracht, warum Kitkat in Japan so beliebt ist. Es liegt am Namen. Der Name Kitkat erinnert phonetisch nämlich an den Ausruf: "Kitto Katsu", wörtlich übersetzt: "Ich hoffe, Du wirst gewinnen", ein Wunsch, den man Schülern und Studenten mit auf den Weg gibt. Eltern kaufen Kitkats für ihre Kinder als Verpflegung wenn diese Prüfungen ablegen müssen. Ich bin mir sicher, dass meine Abi-Note besser wäre, wenn ich mich nur ausreichend mit Glückskeksen für meine Wirtschaftslehre-Klausur versorgt hätte. Aber 21 Jahre später ist man immer schlauer... Wenn es so viel Aberglaube auch in Deutschland gäbe, dann könnte man zu Abi-Prüfungen die Schultoiletten abschliessen. Weil alle dann nur noch "Toi-Toi-Dixi-Toiletten" benutzen würden.

Ich habe noch eine andere japanische Süßwaren-Spezialität entdeckt, die stelle ich beim nächsten Mal vor. Dann wird es sogar politisch... Versprochen.

Ich halte Euch auf dem Laufenden.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen