Freitag, 5. Oktober 2012

Die unbekannte Nationalsportart: Feldball! ...und dazu ein Bier

Es gibt viele Ähnlichkeiten zwischen Deutschen und Japanern. Zum Beispiel gibt es eine ausgeprägte Vorliebe für Bier und gegrilltes Fleisch in jeder denkbaren Form. Wobei man im Unterschied zu uns Deutschen in Japan zum Grillen nicht unbedingt eine Terrasse und gutes Wetter braucht, man kann es auch auf sehr geschmackvolle Art im Restaurant um die Ecke erledigen.
Das nennt sich dann "Yakiniku" und bedeutet, dass man sein Essen roh an den Tisch bekommt und es sich selbst aus offenem Feuer garen darf. Im Unterschied zu einigen Fischrestaurants ist das Tier beim Yakiniku aber schon tot, richtig tot... Im Falle vom Rind also tot, gut abgehangen und lecker mariniert.
Auf dem Tisch steht dann ein Grill, über dem Grill ist eine Art Saug-Glocke montiert, die sehr an eine Trockenhaube aus den 70er-Jahren erinnert. Durch diese Saug-Glocke werden die Grill-Gerüche, Zigarettenrauch, Hello-Kitty-Haarspangen und Toupets abgesaugt. Man kann also grillen gehen, ohne dass man danach wie ein Nebenerwerbs-Brandstifter riecht.














So viel zu den Gemeinsamkeiten, jetzt zu den Unterschieden: Der größte Unterschied zwischen Deutschland und Japan ist die Nationalsportart. 
In Deutschland ist der Kaiser ein Fußballer, der aus steuerlichen Gründen in Österreich lebt. In Japan ist der Kaiser ein freundlicher ältere Herr, der im letzten Jahr geduldig einen Besuch von einem Osnabrücker Anwalt mit inzwischen abgeschlossener Politik-Karriere und einer literarisch minderbegabter Ehefrau überstanden hat. 
(Wer in dem Zusammenhang den Begriff "überstanden" nicht mag, der ersetzt ihn bitte durch "ertragen".) 

In Deutschland gibt es drei wichtige Positionen: Bundeskanzler, "Wetten, dass..?"-Moderator und Fußball-Nationaltrainer. - In Japan gibt es zwölf wichtige Posten: Das sind die Trainer der jeweiligen "Yakyu"-Teams. 
"Yakyu" bedeutet so viel wie "Feldball", eine Sportart, die in den USA auch als "Baseball"bekannt ist. Als Europäer fragt man sich natürlich, warum eine Nation wie Japan, die eigentlich nur immer das Beste aus anderen Nationen adaptiert und in ihr Herz schließt (Bier, Benz, Beethoven), sich so gründlich für eine Sportart begeistern kann, die in Europa als die Deppenversion von Cricket gilt. 

Das wollten die beste Ehefrau, die ich je hatte, und ich herausfinden, deshalb sind wir mal zum Yakyu gegangen und haben es uns angeschaut. Um aus Unkenntnis über Regelwerk und Gepflogenheiten nicht zu sehr aufzufallen, haben wir kurzerhand einen japanischen Kollegen aus der Botschaft dazu gebracht, uns mitzunehmen. Da er selber ein großer Yakyu-Fan ist, mussten wir ihn nicht lange überreden. 

Also wurden wir kurzerhand Fans der "Yomiuri Giants". Laut unserer Begleitung sind die Giants das "Bayern München des japanischen Baseballs". Aber keine Sorge: Damit ist nur gemeint, dass die Giants Rekordmeister sind. Nicht, dass ihr Sport-Vorstand ein ehemals rothaariger, cholerischer Dresdner ist, der mal zu feige war, den HSV zu trainieren. 

















Wir waren beim Spiel der "Yomiuri Giants" gegen die "Yakult Swallows".
Die "Yomiuri" ist eine große Zeitung in Tokyo, "Yakult" dürfte als Hersteller von Milchgetränken in kleinen Flaschen bekannt sein. Damit war klar: Yakyu ist vollständig durchkommerzialisiert, analog dazu könnten in der deutschen Bundesliga auch der "Hamburger Morgenpost SV" gegen die "Fruchtzwerge Hoffenheim" spielen. Wobei natürlich klar wäre, dass der HMSV gewinnen würde, sagt jedenfalls die beste Ehefrau, die ich je hatte. 

Gespielt wird das ganz natürlich in der Halle, wobei der Begriff "Halle" den "Tokyo Dome" nur sehr grob beschreibt. Der "Tokyo Dome" fasst als Yakyu-Stadion 55.000 Zuschauer, ist aber auch Konzerthalle mit 42.000 Plätzen. 
Die Halle ist innen echt beeindruckend. Übrigens findet dort im Dezember das "Super-Oktoberfest" statt, angeblich das größte "Indoor-Bierfest" der Welt. Michael Jackson hat hier in seiner Karriere 21 ausverkaufte Konzerte gegeben, die zusammen mehr als eine Million Zuschauer hatten. Soviel aus dem Guiness-Buch.
















Die Giants haben übrigens pro Saison weit mehr als 21 ausverkauft Auftritte dort... Aber Baseball-Spieler fassen sich ja auch noch öfter in den Schritt als der selige Jacko. 

Zurück zum Spiel: 

Die Vereinsfarbe der Giants ist Orange, oder wie Goethe es nannte: Rothgelb. Als Fußballfan hat diese Farbe bei mir natürlich Widerstände ausgelöst, wer will schon für eine Mannschaft klatschen, die an niederländische Nationalspieler mit erhöhtem Speichelfluss erinnert? Wenigstens verbietet sich der Vergleich mit dem örtlichen Entsorger, in Japan sind die Müllwagen nämlich blau. Und sie sprechen beim Abbiegen, aber das ist ein anderes Thema. 
Man kann also in den Fanshops alles kaufen, was orange ist, das Giants-Logo trägt, oder das Gesicht des Giants-Maskottchen hat. Zum Beispiel Kekse. Oder orange Plüschschildkröten mit der Nummer 9 drauf. Abgesehen davon, dass sie natürlich total "Kawai", also niedlich sind, sollen sie den Spieler Yoshiyuki Kamei anfeuern, Kamei bedeutet nämlich "Schildkröte". 
Ich hatte etwas Sorge, dass mich zu viel orange Farbe zu einem Freund von Mark van Bommel oder Fred Frikandel werden lässt, also habe ich mir eine schwarze Mütze mit wenig Orange und dem Namen und Trikotnummer von Shinnosuke Abe gekauft. 
Müßig zu erwähnen, dass genau dieser Spieler im Spiel dann den ersten "Home Run" geschlagen hat.

Die Yakyu-Regeln sind ganz einfach: Einer wirft, der andere schlägt und rennt, am Ende gewinnen die Giants.

So war es auch diesmal, die Giants haben nicht nur das Spiel gewonnen, sondern damit auch noch die Meisterschaft in der Liga. - Jetzt geht es Mitte Oktober um die Japanische Meisterschaft. 

Die Mannschaft der Giants hat nach dem Sieg, ihren Trainer adäquat gefeiert: 















Wie gut, dass in Deutschland die Fußballtrainer nicht auch so gefeiert werden. Jupp Heynckes hätte Angst, dass er Rücken bekommt, er würde also alles tun, damit er mit den Bayern nicht Meister wird. - Also im Prinzip genau das Gleiche, was er in den beiden letzten Jahren auch getan hat.

Fazit: Yakyu ist ein Erlebnis, aber es ist nicht unsere Sportart. Nett anzusehen, aber das eigentliche Erlebnis ist die Stimmung, die die Fans in der Halle machen. Und der perfekte Kommerz, der rund um das Spiel existiert. Es gibt nicht nur Eisverpackungen in den Giants-Farben, Autogrammstunden mit den Cheerleadern sondern jeder denkbare Merchandising-Kram. Natürlich auch mit  orangenen "Hello Kittys". 

Aber es gibt auch noch richtige Leistungssportlerinnen im Stadion, nämlich die Bier-Verkäuferinnen. Es gibt im Prinzip von jeder großen Biermarke eigen Bierverkäuferinnen, die in unglaublicher Geschwindigkeit mit ihrem Bier-Rucksack durch die Gänge huschen. Wer daheim lieber "Suntory Premium Malts" statt "Asahi Dry" trinkt, der kann das auch im Stadion tun. Er muss nur ein paar Minuten warten, bis die selbstverständlich freundlich lächelnde Verkäuferin vorbeikommt, und einem ein frisches Bier aus ihrem Rucksack zapft. Und nicht ein vor Stunden gezapftes Warsteiner, mit dem man in Berlin das unkritische Publikum vergiftet.  















Das weiße Tuch, dass die Dame im Ausschnitt trägt ist übrigens kein Lappen, mit dem sie mal eben durch ein Glas wischt. Dieser Lappen ist ein Schweißlappen, damit Lächeln und Makeup nicht durch Schweißperlen entstellt werden, während man mit einem Rucksack voller Bier durch den Tokyo Dome rennt. 

Was war sonst noch? Tag der Deutschen Einheit, eine Fahrt mit der Schwebebahn und noch mehr Oktoberfeste... 
Davon bald mehr, ich halte Euch auf dem Laufenden. 



1 Kommentar:

  1. "Autogrammstunden mit den Cheerleadern" ? Was für eine großartige Sportart!!

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