Dienstag, 29. November 2011

In Tokyo dürfen die Touristen überall hin...

...wir sind ja nicht in Nordkorea.
In Tokyo genießen Touristen absolute Freizügigkeit, im restlichen Teil Japans ist auch nicht anders. Sieht man mal von den drei Militärbasen der Amis in Japan ab. Wobei im Falle von Okinawa der Begriff "Basis" etwas untertrieben ist, 10 Prozent der gesamten Inselfläche gehören dem US-Militär. Eigentlich verwunderlich, dass man dort noch keinen Rechtsverkehr eingeführt hat. Wenn die Amis plötzlich anfangen würden, mit ihren Panzern rechts zu fahren, dann würden die Hybrid-Toyotas bestimmt schnell nachziehen.Wo wir gerade am Abschweifen sind: Weiß irgendjemand, weshalb fast jeden Werktag gegen 9 ein paar Hueys von der US-Air Force auf dem Helipad am National Arts Center in Roppongi landen? So kulturell interessiert sind die Amis doch sonst nicht.

Aber zurück zum Thema: Ein ausländischer Besucher kann in Tokyo überall hingehen, es gibt keine touristischen No-Go-Areas wie bei uns zum Beispiel Hannover. Man sollte ja bekanntlich keine Touristen nach Hannover lassen. Das Risiko, dass die sich dort zu Tode langweilen, ist einfach unkalkulierbar.

Risiko ist ja immer relativ. Manche Japaner glauben, dass es nachts im Stadtteil Roppongi gefährlich ist. Relativ zur Innenstadt von Bad Dürkheim mag das auch seine Richtigeit haben.
Es zeigt aber, dass Japaner eine andere Auffassung von Sicherheit haben. Kein Japaner würde auf einer Reise durch Europa nach 19.00 Uhr alleine sein Hotel verlassen.Wobei der Begriff "allein" da schon an sich unwahrscheinlich ist, man tritt in Europa ja meistens in Einheiten von Reisebus-Stärke auf. Zehn Japaner auf einem Haufen fallen in Europa immer noch in die Kategorie "alleinreisend". Und diese zehn Gäste aus Nippon finden, dass die finsteren und angeschmudddelten Bahnhöfe in Deutschland ein Hort des Verbrechens sind... Und deshalb gemieden werden. Wer die sauberen, gut beleuchteten Bahnhöfe in Tokyo kennt, kann das nachvollziehen.
Man muss aber auch eine Sache sehen: In Tokyo ist es ja praktisch unmöglich, dass man irgendwo alleine auf einem Bahnhof steht. Die beklemmende Situation, zusammen mit einer finsteren gesichtstätowierten Gestalt und einem Kampfhund auf einem Bahnsteig zu stehen, kommt dort nicht vor.

Es gibt also in Tokyo Bereiche, in die sich die Mehrheit der Japaner nicht trauen würde, weil diese anrüchig sind. Einem europäischen Touristen erscheinen diese Orte als völlig normales Nachtleben.










Man sollte in Tokyo den Bezirk Roppongi als eine Art Auslaufzone für Touristen sehen. Die Mehrheit der westlichen Touristen sind US-Amerikaner, diese bewegen sich ja meistens ohnehin nur im magischen Dreieck zwischen Hyatt, Starbucks und dem ortsansässigen Hardrock-Cafe. Das bedeutet in Tokyo ungefähr einen Aktionradius von 800 Metern.












Diese Auslaufzone wird nur noch durch einen organisierten Bus-Ausflug zum Kaiserpalast unterbrochen...
Diese touristischen Sandkästen haben aber auch seine Vorteile: Man ist in den anderen Stadteilen vor den "Howdys" sicher. Und die Studienräte aus dem Südhessischen trekken ja eh lieber in Sandalen durch Nepal.
Ich glaube, manche urschwäbischen Prenzlberger wären wirklich froh, wenn sie nicht jeden Tag schon beim Brötchenholen auf australische Rucksacktouristen treffen würden, die sich auf der Suche nach dem Mauerpark verlaufen haben.
Wenn es also touristenfreie Bereiche in Tokyo gibt, dann nur weil die Touristen dort nicht hinwollen. Nach unserer Erfahrung ist es dort genau deshalb richtig spannend.

Es gibt noch einige spannende Plätze... Ich halte Euch auf dem Laufenden.

Sonntag, 27. November 2011

Der Weihnachtskuchen vom letzten Jahr...

... hat nichts mit Jahresend-Gebäck zu tun.
Es ist vielmehr ein Beispiel dafür, dass die Japaner nicht nur erstklassiges Sushi und die besten Hybrid-Toyotas der Welt zusammenschrauben können. Dort gibt es auch die nettesten Euphemismen der Welt, in keiner anderen Sprache gibt es so schöne beschönigende Wörter für eigentlich unangenehme Dinge. In Deutschland nennen wir einen großkotzigen Profilneurotiker, der schwächeren Menschen die Hoffnung raubt und sie beleidigt, einfach nur einen "Dieter Bohlen"... In Japan gibt es bestimmt eine schönere Bezeichnung für solche Leute, vielleicht so etwas wie "faltiger Sitzsack, der Exkremente spricht".

Ich habe in Tokyo ein paar schöne Begriffe kennengelernt: Wer weiß, was eine "Geräuschprinzessin" ist, der drückt jetzt bitte drei Mal die Leertaste.
Wer sich darunter eine Königstochter vorstellt, die schlecht singen kann, der hat leider nichts gewonnen. Die Geräuschprinzessin ist nämlich ein Gerät, dass auf fast allen öffentlichen Toiletten in Japan montiert ist. Ein kleiner Kasten, mit einem Knopf und einem Lautsprecher. Drückt man drauf, dann ertönt das Geräusch einer Toilettenspülung. So können peinliche Verdauungsgeräusche übertönt werden, gleichzeitig wird Wasser gespart.
Wirklich clever... Noch angenehmer ist nur noch die beheizte Toilettenbrille.

Wer sich jetzt fragt, wie ich den Bogen von Verdauungsgeräuschen zum Weihnachtsgebäck zurück bekommen will: Das ist einfach. Der "liegengebliebene Weihnachtskuchen" ist nämlich eine wirklich sehr schmeichelnde Umschreibung für den größten Alptraum einer japanischen Mutter. Ein japanischer Weihnachtskuchen muss nämlich bis zum 24. Dezember komplett verzehrt sein. Analog dazu sollte eine Frau in Japan spätestens mit 24 Jahren verheiratet sein. Ist sie das nicht, dann wird sie zu einem "liegengebliebenen Weihnachtskuchen"... Und eine so alte Tochter zu haben, die kein Mann haben will, ist für eine japanische Mutter eine Schande. Ungefähr vergleichbar mit der Schande, die eine Frau bei uns über ihre Familie bringt, wenn sie einen deutschen Fußball-Rekordnationalspieler heiratet.
Eine folgsame Tochter muss also spätestens mit 24 unter der Haube sein und einen Mann finden, der so viel Geld hat, dass es sich lohnt, die Kosten für die Hochzeit (die traditionell die Brauteltern tragen) auszugeben. Wenn die Tochter dann noch eine europäische Hochzeit mit weißem Brautkleid möchte, dann sind die Eltern glücklich. Es ist nämlich billiger, ein weißes Hochzeitskleid zu kaufen, als einen traditionellen Brautkimono zu mieten. Dann ist auch noch eine Hochzeitsreise nach Hawaii drin...












Was mich zur nächsten schönen Wortschöpfung führt: der "Narita-Scheidung". Der Begriff ist selbsterklärend. Die Flitterwochen auf Hawaii sind meistens der erste Zeitraum, den ein Ehepaar gemeinsam verbringt, ein Zusammenziehen vor der Ehe ist nicht üblich. Wenn die Ehefrau also erst während der Flitterwochen merkt, dass ihr Mann in drei Oktaven schnarcht, Zehennägel kaut oder nur Volksmusik auf dem iPod hat, dann muss sie bis zur Rückkehr auf den Flughafen Narita warten, um ihn dort abzuservieren... Wenn eine Frau das macht (es kommt wirklich vor!), dann hat sie danach ungefähr 1,5 Stunden Zeit, sich im Bus nach Tokyo eine Ausrede für ihre Mutter auszudenken.

Man muss aber eins sagen: Der "liegengebliebene Weihnachtskuchen" wird in Japan relativ oft konsumiert, das Durchschnittsalter der Japanerinnen bei ihrer Hochzeit beträgt nämlich 27,2 Jahre. Der durchschnittliche Weihnachtskuchen ist also mit drei Schichten Schokolade überzogen. Das sind aber immer noch drei Schichten weniger als bei uns, Frauen heiraten in Deutschland durchschnittlich mit 30... Es sei denn, die Frau heiratet den bereits erwähnten Rekordnationalspieler.

Kommen wir zur heutigen Abschlußfrage: Was ist der Unterschied zwischen mir und dem Rekordnationalspieler? Er hält die Bild-Zeitung auf dem Laufenden... Ich halte Euch auf dem Laufenden.

Montag, 21. November 2011

Gegen Tokyo-Weh hilft nur...

Zähneputzen!
Auch am letzten Wochenende habe ich wieder unter Anfälle von Tokyo-Weh gelitten. Verbunden mit der Feststellung, dass es manchmal durchaus wünschenswert ist, wenn man das dumme Gelaber von Mitmenschen an der Supermarktkasse nicht versteht. Ich möchte nicht ausschließen, dass Japaner in meiner Gegenwart hirnlose Gespräche über minderwertige Fernsehprogramme und ihre Beziehungen zu Wesen mit dem Namen "Kalle"geführt haben. Aber wenigstens haben sie es leise getan... Und in einer fremden Sprache. Obwohl die im Weserbergland in manchen Bevölkerungsgruppen übliche Grammatik nicht viel mit dem uns bekannten Duden-Deutsch zu tun hat.

Ein anderer Aspekt ist das Wetter, In Tokyo klingen 19 Grad und Sonne in der Vorweihnachtszeit einfach besser als die Berlin-üblichen 5 Grad mit Rauhreif am Morgen. 

Es gibt zwei Möglichkeiten, mich von Tokyo-Weh zu kurieren. Ich könnte einfach versuchen, zu vergessen. Idealerweise unter der schwallweisen Zuführung von Sake. Hilft aber nicht, ich bekomme nicht mehr als ein halbes Glas von dem Zeug runter.
Ich nehme die andere Lösung, ich putze mir die Zähne mit einem Mitbringsel aus Tokyo: Lion. Damit sollen jetzt keine Schokoriegel gemeint sein, sondern das einzig lesbare Wort auf der Zahnpasta-Tube.
Wir hatten nicht genug Zahnpasta mitgenommen, hätten wir mehr mitgenommen, dann hätten wir dafür Übergepäck zahlen müssen. Das mussten wir aber auch so, die SAS ist da erstaunlich humorlos.
Die Situation war absehbar: Irgendwann war die Zahnpasta alle, es bedurfte einer Neuanschaffung. Drogerien gibt es in Tokyo reichlich, irgendwo müssen ja die ganzen Mundschutze verkauft werden, mit denen die Tokyoter ihre Umgebung vor ihren personifizierten Viren schützen.
Dort gibt es auch Zahnpasta, hauptsächlich amerikanische Markenzahnpast zu unglaublichen Preisen. Ich glaube, geizige Japaner kann man bei diesen Preisen an ihrem schlechten Zahnstatus erkennen.
Ich habe auf ein einheimisches Produkt zurückgegriffen, eine blaue Tube aus dem mittleren Preissegment,  gekauft und gehofft, dass es nicht doch Haftcreme ist.













Der Selbstversuch brachte es an den Tag: Zahnpasta... Und zwar Zahnpasta  mit einem Geschmack, den man in Deutschland nicht sofort mit Mundhygiene assoziieren würde: Apfel.
Nicht so richtig der Geschmack eines frischen Apfels, eher der Geschmack von billigem Apfel-Kaugummi aus meiner Kindheit.
Aber es hilft mir in akuten Fällen von Tokyo-Weh. Und gesund für die Zähne ist es wohl auch.
Ich bin mir übrigens sicher, dass es Japaner gibt, die keine Äpfel für 1,50 Euro kaufen. Und das nur, weil die Dinger nach Zahnpasta schmecken.

Sollte das Auswärtige Amt mir die Chance geben, werde ich gerne im Selbstversuch austesten, welche Geschmacksrichtungen es sonst noch gibt... Hoffentlich nicht "Suntory Green Espresso".

Ich halte Euch auf dem Laufenden...

Dienstag, 15. November 2011

Akute Anfälle

Ich bin jetzt etwas mehr als zwei Wochen wieder in Berlin, ich habe mich wieder eingelebt.
Das merke ich daran, dass ich immer mal wieder Anfälle bekomme... Und zwar Anfälle von Tokyo-Weh. Es ist kein Heimweh, es ist auch nicht das berühmte Fernweh. Es ist einfach das Gefühl, dass ich gerne in Tokyo wäre. Zum Beispiel wenn meine Schuhe in der U-Bahn an etwas klebenbleiben von dem ich gar nicht so genau wissen möchte, was es ist.
Ich kann mich nicht so recht entscheiden, was ich in den öffentlichen Verkehrsmitteln von Berlin schlimmer finden soll: Das leicht angeschmudelte Interieur oder die Fahrgäste. Wenn ich dann drin bin, dann weiß ich es: Es ist das Verhalten der Fahrgäste. Da besteht doch noch etwas Optimierungsbedarf.

Dieser Optimierungsbedarf ist aber auch Tokyo vorhanden, sonst gäbe es dort keine "Manner Posters". "Manner Posters" wechseln regelmäßig und sollen die U-Bahn-User daran erinnern, dass man sich ordentlich benehmen soll.
Das aktuelle Poster sieht so aus:

















Es soll die Passagiere daran erinnern, dass sich andere Fahrgäste gestört fühlen könnten, wenn man sich in der U-Bahn schminkt. Man könnte sagen: Die Japaner haben echte Probleme.
Ich bin dafür, dass man diese Poster auch in den ÖPNVs von Berlin einführt. Man könnte vielleicht mit den Aspekten "Aufrecht sitzen" oder "Keine Körperflüssigkeiten auf den Boden absondern" anfangen.
Aber das ist wohl schon zu viel verlangt.
Deshalb bekomme ich immer wieder Tokyo-Weh.

Es soll hier aber nicht gegen die BVG oder die S-Bahn gehen. Auch die Berliner Taxifahrer könnten durchaus von ihren japanischen Kollegen lernen... Zum Beispiel, dass man Innenräume wirklich sauber halten kann.  

Aber vielleicht stumpfe ich ja in Berlin noch ab... Und dann stört es mich nicht mehr, wenn ein paar Halbhirne ihr virtuelles Sex-Leben lautstark in der Tram erörtern.

Ich halte Euch auf dem Laufenden...

Mittwoch, 9. November 2011

Ich gebe es zu...

...ich war faul.
Lieber anonymer Kommentator des letzten Postings: Das ist es doch, was Sie sagen wollten, oder?
Natürlichg bin ich nicht faul gewesen, ich habe in der letzte Woche einen Kampf gegen die innere Uhr geführt. Die Umstellung von Bio-Rhytmus auf die Nachtarbeit, kombiniert mit Jetlag und der allgemeinen Zeitumstellung hat mir echt zugesetzt. Todmüde ins Bett zu gehen, nach 3 Stunden wieder wach zu sein, obwohl man eigentlich schlafen müsste, war echt anstrengend.

Zuerst würde ich gerne das "Was ist das?"-Bilderrätsel von letzter Woche auflösen.
Es ist ein Treppengeländer in einer U-Bahnstation in Tokyo. Und zwar in der Station "Meiji-jingumae". Tokio-Kenner werden jetzt sagen: "Ach da."
Dem auswärtigen Besucher sei gesagt, dass es eine Station am Ende der Omotesando ist. Die Omotesando ist der "Champs-Elysees von Tokyo". Das stimmt in dem Bereich, dass auch hier Bäume am Straßenrand stehen und es Geschäfte gibt, die unnützen Designer-Kram zu Preisen verkaufen, bei denen sogar ein Scheich gucken muss, ob er noch genug Geld hat.
Der Vergleich stimmt aber auch nicht: Im Gegensatz zu Paris fehlen hier Straßenrestaurants mit schlecht rasierten Kellnern, die den ganzen Tag damit beschäftigt sind, ihre Verachtung über Touristen zum Ausdruck zu bringen, die kein Französisch sprechen. Und deshalb beinahe den eigentlichen Zweck ihres erdlichen Daseins vergessen: Schlechtes Essen zu überzogenen Preisen zu servieren. Außerdem ist es auf der Omotesando so sauber: Das würden Franzosen niemals hinbekommen.

Also: Das gezackte Treppengeländer führt aus einer U-Bahnstation heraus, die zu einer teueren Einkaufsstrasse führt. Und damit man dort die Kaufkraft so lange wie möglich erhalten kann, sind die Zacken im Geländer. Das Geländer ist nämlich seniorenfreundlich. Direkt über jeder Stufe ist das Geländer waagerecht, dort kann man sich sicher abstützen. Zwischen den Stufen ist es schräg, damit man sich dort hochziehen kann.












So erhält man sich die Kaufkraft der konsumfreudigen Senioren.

Außerdem soll es halbstarke Jugendliche davon abhalten, auf dem Geländer runterzurutschen. Aber die sind eh ein Mangelartikel, also Jugendliche. Japans Gesellschaft vergreist, die durchschnittliche Geburtenrate ist noch niedriger als in Deutschland.
Die Tatsache, dass der Japaner der Panda unter den Asiaten ist, hat wohl viele Gründe. Einmal ist es natürlich schwer, Kinder zu machen, wenn der Mann 18 Stunden am Tag bei der Arbeit ist, oder man gemeinsam mit den Schweigereltern in einer hellhörigen 1,5-Zimmer-Wohnung mit Wänden aus Butterbrotpapier wohnt.
Auch für den japanischen Besserverdiener ist es praktisch unmöglich Kinder zu bekommen. Die Wartezeiten auf die Louis-Vuitton-Kinderwagen sollen nämlich furchtbar lang sein.
Viele Japaner sagen sich auch einfach: "Wozu soll ich Kinder haben? Wenn ich was etwas will, das klein und niedlich ist, dann kaufe ich mir ein iPhone-Cover im "Hello-Kitty"-Design."

Wenn man ihn fragen würde, dann hätte Thilo Sarrazin für dieses Problem bestimmt eine Idee. Aber wir brauchen unsere Hartz-IV-Empfänger selber... Sonst geht unsere Geburtenrate vor die Pandas.

Das nächste Posting kommt schneller, versprochen.... Wann? Ich halte Euch auf dem Laufenden.

Mittwoch, 2. November 2011

Japan in der deutschen Presse...

...ist echt so ein Thema.

Die meisten Journalisten in Deutschland haben offensichtlich eine etwas bizarre Vorstellung von Japan und den Japanern. Manche glauben offensichtlich, dass der Durchschnitts-Japaner, ich nenne ihn einfach mal Takeo Ichi, sich morgens sein Samurai-Schwert und einen Mundschutz umschnallt, ein Paket Sushi unter den Arm klemmt und dann auf Godzilla zur U-Bahn reitet. Dann sitzt er 18 Stunden im Büro, betrinkt sich anschließend mit seinen Kollegen und fährt dann wieder drei Stunden mit der U-Bahn von Tokio nach Okinawa. Am heimischen Bahnhof wird Herr Ichi dann wieder von einem vor Freude mit dem Schwanz wedelnden Godzilla in Empfang genommen.

Sein eintöniger Arbeitsalltag wird nur durch regelmäßige Erdbeben und eine kurze Mittagspause unterbrochen...
So ist es nicht, wirklich nicht!
Kein Japaner ist 18 Stunden im Büro.

Mir sind in der letzten Nacht zwei Meldungen auf den Fuß gefallen, die ich hier kurz vorstellen will:

Fukushima: Japanischer Politiker trinkt Atomwasser
Mein erster Gedanke dazu war: Klar, und bei "Deutschland sucht den Superstar" werden wirklich Sänger gesucht... Wir leben in einer Zeit, in der wir keinem Politiker mehr glauben, dass er die Kritzeleien aus der Waldorfschule, die bei seinen stolzen Eltern seit Jahrzehnten am Kühlschrank vergilben, wirklich selbst gemalt hat. Wieso sollten wir dann einem Politiker glauben, dass das Wasser wirklich radioaktiv ist?
Klaus Töpfer ist auch durch den Rhein geschwommen, ohne dass ihm ein drittes Ohr auf der Stirn gewachsen ist. Und Theo Waigel soll diese Augenbrauen schon immer gehabt haben... Ich glaube also nicht, dass besagter Politiker sich für sein Land geopfert hat, eher im Namen der PR.
Die Japaner sind ja immer sehr schnell dabei, neue Trends aufzunehmen. Wenn es einer macht, dann machen es seine Landsleute schnell nach… Wahrscheinlich gibt es in zwei Wochen die ersten Lieferengpässe bei radioaktivem Wasser.
Ich persönlich glaube ja, dass er das Wasser nur getrunken hat, um den Geschmack von "Suntory Green Espresso" aus dem Mund zu bekommen... Da ist dann einfach jedes Mittel Recht.

Ich hab noch was gefunden:
Winter-Tipps in Japan: Mit Pudelmütze und Eintopf gegen die Energiekrise
Dass Politiker den einfachen Ratschlag geben, sich im Winter einen Pullover anzuziehen, ist ja nur auch nicht wirklich neu. Nur habe ich damals bei Thilo Sarrazin nicht so drüber gelacht wie heute.
Dieser Hinweis ist bei Japanern völlig unnötig: Da werden warme Klamotten nämlich nicht getragen, weil es kalt ist, sondern weil sie von Giorgio Armani sind. Also auch bei 25 Grad im Oktober. Man könnte beinahe die gesamte japanische Weiblichkeit dazu bringen, sofort und ganzjährig warme Stiefel zu tragen, dazu müsste man das Schuhwerk von Louis Vuitton und Prada nur staatlich subventionieren.

In Japan wird nun mal fast nur mit Strom geheizt, das ist aber keine Dummheit, sondern eigentlich eine ziemlich clevere Entscheidung: Nach einem Erdbeben wird in der betroffenen Region das Gas abgeschaltet, um Brände zu verhindern. Die oberirdisch verlegten Stromkabel lassen sich nach einem Erdbeben schneller wieder reparieren, als geplatzte Gasleitungen... So ist es mit größerer Wahrscheinlichkeit sichergestellt, dass nach einem Erdbeben niemand erfrieren muss.
Wenn in Japan jetzt Strom gespart werden muss, dann werden die Japaner dafür schon Wege finden... In der U-Bahn hat man schon jede dritte Neon-Röhre demontiert, warum nicht auch jede dritte Glühbirne in den Pachinko-Automaten. Vielleicht wird man auch einfach mal bei allen Getränkeautomaten im Winter die Kühlung ausschalten.
Ich habe aber noch einen ganz einfach Vorschlag, um in Japan Strom zu sparen: Man stellt das Heizen ganz ein, japanische Häuser sind meistens so mies isoliert, dass es ohnehin nichts bringt. Dann wird von Januar bis März der Winterschlaf eingeführt... Die meisten Japaner werden während der Zeit nichts vermissen, die Baseball-Liga hat dann nämlich auch Pause.
Ja, Japaner sind anders... Aber nicht doof. Denen fällt schon was ein.


Sonst hätten sie nicht das gezackte Treppengeländer erfunden... Eine Erfindung, deren Genialität sich erst nach einigem Nachdenken erschließt. Dann aber um so beeindruckender.



Darüber halte ich Euch auf dem Laufenden.