Montag, 17. Oktober 2011

Hertha BSC reloaded...

Tokyo und Berlin haben auf den ersten Blick wenig gemein: Berlin hat preußische Geschichte, Tokyo hat preußische Perfektion im Nahverkehr.
Beide hat aber das Schicksal getroffen, dass jede ernstzunehmende Hauptstadt wohl einmal treffen muss: Der örtliche Fußballverein spielt nur zweitklassig.
Also haben wir uns am Sonntag aufgemacht, um zum Fußball zu gehen. Eine intensive Internetrecherche ließ alles ganz einfach erscheinen: Man fährt mt dem Zug zum Stadion, läuft die Hauptstrasse bis zum Stadion, kauft Tickets und geht rein. - Und genauso war es auch...
Trotzdem ein beeindruckendes Erlebnis, das aus einer Aneinanderreihung von Highlights, Aha-Erlebnissen und "Warum ist das nicht auch in Deutschland so?"-Erfahrungen bestanden hat.

Aber der Reihe nach:
Fußball ist nicht die beliebteste Sportart in Japan, das ist Baseball. Fußball steht aber schon an zweiter Stelle, das ist unter anderem Dettmar Cramer zu verdanken. Wer ihn nicht kennt, das ist der nette ältere Herr aus der Volksbank-Werbung (Jeder hat etwas, das ihn antreibt). Dettmar Cramer und Guido Buchwald haben mit ihrer Arbeit als Fußballtrainer das Image der Deutschen in Japan so positv beeinflusst, dass sogar ein ausgedehnter Staatsbesuch von Guido Westerwelle unser Image hier nicht ernsthaft beschädigen könnte. Aber man muss es ja nicht drauf ankommen lassen.
Zurück zum Fußball, Petra und ich haben einiges an Stadionerfahrung: Ich war bei der WM 2006, Petra beim Länderspiel Kasachstan gegen Portugal. Zusammen haben wir Real Madrid, den HSV, Hertha BSC, Union Berlin, Bayern München, den VfL Osnabrück und die TSG 1899 Hoffenheim gesehen. Wir waren auf alles vorbereitet... Aber nicht auf ein Stadion, in dem man in Socken herumlaufen könnte.

Die Anreise zum Erlebnis "FC Tokyo" ist ganz einfach: Man mischt sich einfach unter die Hundertausenden von Menschen, die zu jeder Minute den Bahnhof Shinjuku bevölkern, fährt mit dem Schnellzug zwei Stationen nach Chofu, dann noch einmal zwei Statitionen mit den Nahverkehr, dann ist man da. Immer noch in Tokyo, aber nicht mehr von Hochäusern umzingelt. In Berlin könnte die Anreise zum Olympiastadion per S-Bahn im Prinzip auch so einfach sein... Aber halt auch nur im Prinzip.
An Spieltagen vom FC Tokyo folgt man einfach den Schlachtenbummlern, die zahlreich zum Stadion laufen. Man sieht bereits die ersten Fanartikel, es dominiert aber noch die große Tasche, als wenn man zum Baden geht. In den zahlreichen Conbinis gibt es alles für den Fan: Getränke, Becher und Bento-Boxen im FC-Tokyo-Design. In diesen Boxen sind schlicht und einfach leckere Schnitzel-Sandwiches.













Wenn man am Stadion ankommt, kein Japansich spricht und keine Tickets hat, dann ist es ganz einfach: Man schnappt sich einen der zahlreichen dort anwesenden Menschen, die ein "FC Tokyo Fan Crew" Polohemd tragen und spricht ihn auf Englisch an, der bringt einem zum nächsten  Polohemd-Träger, der Englisch spricht. Der eskortiert einen dann persönlich zum Ticket-Counter. Dort erwartet einen die große Überraschung: Die Tickets sind relativ preiswert, 2.000 Yen (20 Euro). Und zwar sowohl für die Fankurve, als auch für die komplette Gegen-Tribüne. Kinder zahlen nur 500 Yen, eine lohnenswerte Investition in den Fan von morgen. Tickets, die man in Deutschland als Business-Seats vermarkten würde, kosten rund 50 Euro. Die kauft aber keiner.
Dann geht es durch die Sicherheitskontrolle, dort geht man hauptsächlich sicher, dass man keine Seeminen in kleinen Bollerwagen hinter sich herzieht. Das Mitbringen von Picknick-Körben, Getränken, und dem dazugehörigen Besteck ist natürlich erlaubt. Nur Dosen müssen in Pappbecher umgefüllt werden, bei Plastikflaschen muss der Deckel abgegeben werden. So will man sichergehen, dass alles korrekt recycelt wird.
Das Stadion heißt "Ajinomoto-Stadion", Ajinomoto ist ein Nahrungsmittelhersteller, der die Namensrechte am Stadion gekauft hat. Deshalb bekommt auch jeder Besucher eine Ajinomoto-Produkt am Eingang geschenkt. Ich kann die Verpackung nicht lesen, aber es ist eine Soßenmischung, die laut den Bildern auf der Rückseite mit Tofu, Sojasprossen und Fleisch zubereitet werden soll und recht schmackhaft aussieht.
Ich stelle mir gerade vor, was passieren würde, wenn Hertha BSC plötzlich nicht mehr im Olympia-Stadion spielen würde, sondern in der "Bautzener-Senf-Arena". Und jeder Stadion-Besucher würde am Eingang einen Becher mittelscharfen Senf bekommen...
Eins ist sicher: Ein paar DFB-Schiris würden dann gleich in den gelben Outfits pfeifen. Damit man die Flecken nicht so sieht.
Aber man ist ja hier in Tokyo, hier wirft man erstens nicht mit Lebensmitteln und zweitens nicht im Stadion. Man könnte ja was dreckig machen.

Dann ist man im Stadion angekommen, der Durchschnittsbesucher verschwindet dann erstmal auf der Toilette, zum Umziehen. Das Fan-Outfit wird erst im Stadion angelegt... Dann aber richtig.
Wir mussten uns natürlich erst ausstatten, was aber schnell zu erledigen war. Leider auch nicht billig, für einen Schal und eine Mütze zahlt man mal eben 50 Euro.
Aber was ist schon Geld, wenn es um Fußball geht?

















Japanischer Fußball ist eine Familien-Akivität, die ganze Familie geht sonntags ins Stadion. Ich habe auch eine mögliche Erklärung: Ein Besuch für zwei Erwachsene mit zwei Kindern ist billiger als ein einzelnes Kinderticket fürs Disneyland.
Außerdem kann man einen Picknickkorb mit ins Stadion nehmen, und im Schatten des Oberrings die Decke ausbreiten. Der Fußbden ist so sauber, man bräuchte die Decke aber nicht zwingend.
Ach ja, Fußball wurde auch noch gespielt, Tokyo hat 3:0 gegen Fagiamo Okayama gewonnen. Kein hochklassiges Spiel, aber die Mehrheit der Spiele in der 2. Bundesliga ist spielerisch schlechter. Eine klare Sache, trotzdem hat der unterlegene Gegner bis zum Abpfiff versucht mitzuspielen. Wahrscheinlich weil man es den ungefähr 50 mitgereisten Fans schuldig war, die mit eine stoischen Begeisterung, Trommeln und einer einzelnen Vuvuzela für die Stimmung gesorgt haben, die einfach zum Fußball gehört.

Fazit des Tages: Ein Stadionbesuch ist echt eine Alternative zum Besuch des 14. Shinto-Schreins oder dem 88. Mega-Kaufhaus.
Und in der nächsten Saison spielt der FC Tokyo dann auch wieder in der ersten Liga, man ist nämlich Tabellenführer. - Deshalb auch die heutige Überschrift: Hertha BSC reloaded.

P.S. Zum Abschied hat sich das  Maskottchen noch persönlich von uns verabschiedet:














Es hofft wohl auf ein Wiedersehen...
Ob es klappt? Ich halte Euch auf dem Laufenden.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen